„Leben in der Utopie“

Präsentation und Vortrag von Siegfried Wittenburg

„Leben in der Utopie“ - Vom Alltag in der Diktatur und dem Wert der Freiheit

Präsentation und Vortrag von Siegfried Wittenburg an der Bischof-Neumann-Schule  in Königstein

Am Donnerstag, dem 6.7.2023, fand in den Räumlichkeiten der Bischof-Neumann-Schule in Königstein der Vortrag „Leben in der Utopie“ mit dem Fotografiker, Medienproduzenten und Autoren Siegfried Wittenburg statt. Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen sowie externe Gäste hatten die Gelegenheit, einen ebenso anschaulichen wie emotional packenden Vortrag zu erleben, welcher vor allem die Rolle des Individuums in der Alltagserfahrung mit der Diktatur der DDR zum Gegenstand hatte. 

„Was wünscht ihr euch eigentlich für euer Leben?“ Diese Frage richtete Siegfried Wittenburg zu Beginn seiner Präsentation an die Schülerinnen und Schüler, die sich so aus einer ganz persönlichen Perspektive heraus dem Begriff der Utopie annäherten, und in dem folgenden Vortrag und Gespräch mit dem Referenten selbst beurteilen konnten, inwiefern der utopische Entwurf vom sogenannten „realen Sozialismus“ daran scheiterte, den zentralen Bedürfnissen so vieler Menschen gerecht zu werden. 

Mit seinen Fotografien nahm Wittenburg die Anwesenden mit auf eine packende Reise in die Vergangenheit der DDR, die auch einen Teil seiner eigenen Vergangenheit darstellt. Die einfühlsame, fotografische Dokumentation behandelte Themen wie Stagnation, Zwang, Überwachung und Misstrauen ebenso wie die in den Bildern stets greifbar wirkende, tiefe Sehnsucht nach Freiheit. Die Zuhörerinnen und Zuhörer zeigten sich bewegt von den Geschichten, welche an diesem Vormittag durch die Bilder erzählt wurden. 

Vor dem Hintergrund dieser berichtete der Referent auch über die eigene Biographie, wie z.B. die Erfahrung mit den DDR-Jugend- und Massenorganisationen, dem auf verschiedenen Ebenen vorherrschenden Zwang zur Anpassung, aber auch den von ihm und vielen seiner Freunde wahrgenommenen Möglichkeiten zur unangepassten Entwicklung, welche z.B. im Engagement in kirchlichen Gemeinden und Organisationen zu finden waren - trotz der damit einhergehenden Repressalien des Regimes - denn „die SED“, so Wittenburg, „duldete keinen Gott neben sich.“ 

In einer konzisen historischen Darstellung beleuchtete Wittenburg die Hintergründe der deutschen Teilung und die damit einhergehenden Folgen. Er erklärte, wie sich die Diktatur der SED in das Leben der Menschen drängte und ihnen oftmals keinen Raum ließ für die eigenen Lebensentwürfe, Wünsche und Bedürfnisse. Denn solche, so erklärte der Referent im Rückgriff auf seine Eingangsfrage an die Zuhörenden, ließen sich nicht, wie in der DDR versucht, durch die erzwungene Erziehung zum „neuen Menschen“ verwirklichen, sondern nur in persönlicher Freiheit und in der Liebe und Hingabe zu dem, wovon wir uns als Menschen leiten lassen.  

Er, der selbst die Diktatur der DDR, aber auch die Folgen des Zweiten Weltkrieges und des Faschismus erfahren habe, verfolge mit seinen Bildern auch das Ziel, die Vergangenheit vor dem Vergessen zu bewahren. Wie wertvoll es sei, Teil eines anerkannten, friedlichen Landes zu sein, sei ihm zum ersten Mal ganz bewusst geworden, als man es ihm selbst auf einer seiner Auslandsreisen als einem Fremden im Grundton von Anerkennung und Wohlwollen spiegelte. Heute als Deutscher in dieser Weise wahrgenommen zu werden, sei für ihn nicht nur ein großes Geschenk, sondern auch ein wertvolles Gut, das zu bewahren, er seine Zuhörerinnen und Zuhörer, „eine Generation, die in Freiheit geboren wurde“, so Wittenburg, aufforderte. 

Der Direktor der Bischof-Neumann-Schule, Jens Henninger, dankte dem Referenten für seinen packenden und anschaulichen Vortrag, der nicht darauf beschränkt blieb, historische Fakten zu präsentieren, sondern die Anwesenden auch auf einer ganz persönlichen Ebene erreichen konnte und die Aktualität und Relevanz des Themas verdeutlichte. So wurde an diesem Tag nicht nur eine Möglichkeit eröffnet, einen Einblick in das  Leben und den Alltag in einem System zu gewinnen, das von Zwang und Unterdrückung geprägt war, sondern es wurde auch sichtbar, wie das Medium der Fotografie eine kraftvolle und lebendige Form des Erinnerns und der Vergegenwärtigung sein kann. 

Die Ausstellung „Leben in der Utopie“ von Siegfried Wittenburg wird im November des Jahres 2023 in der Kollegskirche der Bischof-Neumann-Schule auch für externe Besucherinnen und Besucher zu sehen sein. 

(Patrick Seiler) 

 Foto Vortrag Wittenburg